28/03/2025 0 Kommentare
Erkenntnisse aus der Sauna
Erkenntnisse aus der Sauna
# Zum Weiterdenken

Erkenntnisse aus der Sauna
Von Pfarrer Dr. Michael Dorhs,

Freitagabend in der Sauna. „Wenn ich mal so aussehe, gehe ich hier nicht mehr hin!“ Die das sagte, war noch jung. Ihr Blick folgte einer älteren Frau, die gerade aus dem Kaltwasserbecken stieg. Darf man nur in die Therme gehen, wenn man jung und makellos ist? Ab wann werden Falten zum Ärgernis für andere?
Natürlich hinterlässt das Leben Spuren an uns. Manche gehen leicht gebeugt, weil sie schwer zu tragen haben – nicht nur körperlich. Und wer Kinder austrägt und großzieht, dessen Körper verändert sich. Wer jahrelang für andere da ist, sieht das irgendwann im Spiegel. Aber genau diese Spuren erzählen unsere Geschichte. Sie sind kein Makel. Sie sind Zeichen eines gelebten Lebens. Grund genug, stolz zu sein, nicht beschämt!
Wer glatt und unberührt bleiben will, der muss sich das echte Leben vom Leibe halten. Denn wer sich einsetzt, wer liebt und kämpft, bleibt nicht unversehrt. Dem sieht man an, dass oft die Zeit nicht reichte, auf sich selbst zu achten. Und ja, manchmal stillt tatsächlich nur das Essen die Leere, wenn sonst niemand da ist.
Aber genau das sind wir! Unsere Körper erzählen von dem, was wir erlebt haben. Jede Falte, jede Narbe gehört zu uns. Jede Strecke zählt, auch die Abwege und Umwege. Und gerade die machen uns interessant und liebenswert!
Das war Jesu Blick auf den Menschen: das Ganze sehen, die Höhen und die Tiefen. Andere nicht schon nach dem beurteilen, was man im ersten Moment von ihnen wahrnimmt. Sondern hinter die Fassade schauen. Und dabei in den Kindern auch die eigene Kindheit wiedererkennen und lieben. Oder in den Alten die eigene Zukunft erahnen und ihnen mit Respekt begegnen. Ein solcher Blick schafft Verständnis – für andere und für uns selbst.
Pfarrer Dr. Michael Dorhs ist Schulreferent der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.
(Foto: medio.tv/schauderna)
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