
12/09/2025 0 Kommentare
Biblische Provokation
Biblische Provokation
# Zum Weiterdenken

Biblische Provokation
Von Pfarrer Christian Trappe

Das Gleichnis vom barmherzige Samariter, das kommenden Sonntag vielerorts gelesen wird, wird den meisten noch geläufig sein. Aber was ist denn eigentlich ein Samariter? Unwillkürlich denkt man dabei an die Nothelfer des Arbeiter-Samariter-Bunds. Doch den gibt es erst seit Ende des 19.Jh.s, - und der Name wurde von der Bibel-Geschichte abgeleitet. Schaun wir mal, warum:
Ein Mann, unterwegs von Jerusalem nach Jericho, wird in der Wüste überfallen, übel zusammengeschlagen, ausgeraubt und bleibt dort schwerverletzt liegen. Ohne Wasser überlebt ein Mensch in dieser Gegend keinen Tag - das wissen alle. Trotz gehen erst ein Priester, dann ein Tempeldiener vorbei, ohne zu helfen. Sie wollen sich nicht mit dem Blut des Verletzten „verunreinigen“, weil sie sonst ihren Dienst im Tempel nicht wie vorgeschrieben wahrnehmen könnten.
Der Samariter verkörpert in der Geschichte eine andere Haltung: Er sieht die konkrete Not, hält an, versorgt die Wunden, bringt den Verletzten zu einer Herberge und sorgt für dessen weitere Behandlung.
Nun waren die Samariter zur Zeit Jesu eine religiöse Volksgruppe, die im Bergland von Samaria (heute Teil der Westbank) wohnten - und wohnen. Letztlich sind sie ein Zweig des Judentums, mit dem sie die 5 Bücher Mose als Heilige Schrift teilen, aber alle späteren Bücher der hebräischen Bibel ablehnen. Und wie das bei Verwandten ist: Wenn´s einmal Streit gab, kann daraus eine tiefsitzende Ablehnung werden.
Dass Jesus hier einen verachteten Fremden als Vorbild präsentiert, war eine Spitze gegen das religiöse Establishment seines Volkes: Gegen neurotische Reinheitsideale, wie sie Religionen und Nationen immer wieder hervorbringen - und für praktizierte Mitmenschlichkeit.
Zweierlei kann man daraus für heute lernen: Ethnisch-religiöse Homogenität hat es im Heiligen Land nie gegeben. Und: Man kann miteinander leben, wenn man die Nöte der realen Menschen in den Blick nimmt.
Christian Trappe ist Pfarrer im evangelischen Kirchspiel Lippoldsberg für die Kirchengemeinden Gewissenruh, Gottstreu, Lippoldsberg und Vernawahlshausen.
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